… AUS DER KOMFORTZONE - VON MONA MOLDOVAN
Als ich 2018 meine Kündigung nach über 10 Jahren bei der Firma einreichte, um ein Reiseunternehmen zu gründen, hörte ich von allen Seiten Kommentare in der Art: „Wow, wie mutig. Das würde ich mir nicht zutrauen.“ „Das würde ich auch gerne tun, aber…“
Gastbeitrag: “….aus der Komfortzone” von Mona Moldovan
Das war wenig hilfreich. Mut ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit einer Selbständigkeit nicht ganz glücklich verwendet und zudem total überschätzt ist. Dabei ist es alles andere als gefährlich, sich in einem Staat wie Deutschland unternehmerisch zu betätigen. Vielleicht nur etwas ungewöhnlich. So etwas zu machen würde ich nicht als „mutig“, sondern als anstrengend und gleichzeitig wunderschön bezeichnen. Sich „aus der Komfortzone“ zu bewegen trifft es vielleicht besser. Ich glaube, ich kann das anhand einer Tour oberhalb des norwegischen Hardangerfjords besser erklären. Auf dieser Tour habe ich einige Parallelen zum Start eines Unternehmens gezogen.
Die Wanderung nach Kjeåsen wird als sehr steil und schwierig beschrieben. Kjeåsen (Lämmchen) ist ein Bauernhof in der Nähe von Eidfjord, am Hang gebaut. Die einzige Verbindung mit der Welt war sehr lange dieser sehr steile Weg. Den Pfad hinauf haben die Leute über Generationen alles, was sie brauchten, auf dem Rücken transportiert.
Bis zu 13 Kinder lebten dort und sind täglich den Weg runter zur Schule und nachmittags wieder rauf gegangen, damals völlig normal. Jetzt gibt es auch eine schmale Straße, für Menschen, die nicht auf dem steilen Pfad gehen wollen oder können. Heute lebt dort eine ältere Frau, die manchmal im Sommer Waffeln anbietet.
Die Wanderung beginnt beim Sima Power Plant, ein Wasserkraftwerk, das wie ausgestorben aussieht. Die sieben Kilometer von Eidfjord kann man zu Fuß oder per Rad zurücklegen (die Touristeninformation vermietet Räder täglich zwischen 9 und 16 Uhr). Ich habe großen Respekt vor norwegischen Wanderwegen und dieser ist als schwarz markiert (Expertenstufe). Ich bin keine Expertin. Aber ich gehe trotzdem, wenn auch mit einem mulmigen Gefühl.
Auch wenn der Weg als sehr schwierig beschrieben wird, kann man nur wissen, ob man es schafft, wenn man es versucht.
Ich gehe also steil nach oben und bin fast alleine, trotz der Tatsache, dass in Eidfjord heute bis zu 2000 Tourist*innen sind. Von meiner Gruppe will niemand mit und ehrlich gesagt kann ich das auch niemandem verdenken.
Steile Wege sind meistens einsam.
Oft sehe ich wenige Meter vor mir eine Wand und frage mich, ob es überhaupt weiter geht. Aber jedes Mal gibt es irgendwo das rote T zu sehen, das die norwegischen Wanderwege (Tur) kennzeichnet. Wenn auch teilweise noch unwegsamer und steiler, es geht jedes Mal weiter.
Es ist wichtig, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und zu vertrauen, dass der Pfad weiterführt. Es gibt immer einen Weg weiter.
Ab und an muss ich anhalten, eine kleine Pause einlegen, atmen und nach unten schauen, wie weit und hoch ich bereits gekommen bin. Und mir gleichzeitig von dem Ausblick über den Hardangerfjord den übrigen Atem rauben lassen.
Es ist nicht verkehrt, ab und an mal eine Pause einzulegen und zurück zu schauen, wie weit man schon gekommen ist. Dann sieht der weitere Weg vielleicht nicht mehr so erschreckend aus. Fast oben angekommen, treffe ich eine norwegische Frau und kann meine Sprachkenntnisse testen, obwohl ich weiß, dass die nur rudimentär sind. Ja! Es geht :-) und ich freue mich so sehr, dass ich die letzten Höhenmeter fast wie im Flug zurücklege.
Versäume nicht die Gelegenheit, etwas Neues zu lernen oder zu üben, wenn es auch vordergründig nicht immer zum Thema passt. Du kannst nur gewinnen. Mindestens Freude, aber oft auch viel mehr.
Oben am Kjeåsen mache ich Fotos und eine längere Pause, bevor es wieder zurück geht. Ein junges deutsches Pärchen aus Frankfurt ärgert sich, dass sie sich für viel Geld nach oben haben fahren lassen. Sie gestehen, etwas planlos unterwegs zu sein.
Einen groben Plan zu haben, ist gut und wichtig. Zu wissen, was man machen will und eine Idee davon, wie man dahin kommt, spart einige unnötige Umwege.
Auf dem Weg nach unten ist es natürlich genau so steil. Ich komme gut zurecht, bis auf eine Stelle. Ich gerate versehentlich einige wenige Meter abseits des Pfads und muss ein wenig kämpfen, um zurück zu finden. Just in dieser Sekunde kommt ein Mann von oben. Er geht blitzschnell und als er an mir vorbeikommt, reicht er mir die Hand. In wenigen Sekunden bin ich zurück auf dem Pfad und bevor ich ein „Thank you“ zu Ende ausgesprochen habe, wünscht er mir „Good Luck“ und ist genauso schnell Richtung Tal verschwunden, wie er aufgetaucht ist.
Es ist wichtig, auf sich Acht zu geben, und, falls notwendig, sich helfen zu lassen.
Ich komme also unten gut an und bin erstaunlich fit. Ich hatte zuerst geplant, die sieben Kilometer zurück per Anhalter fahren. Tatsächlich überholen mich zwei Teslas und ich bin noch nie in einem gesessen. Aber mir geht es wunderbar und die Landschaft ist so schön, dass ich lieber zu Fuß gehen will. Ein rotes Boot gleitet lautlos über den blauen Fjord.
Ich komme später in Eidfjord an und habe noch genug Zeit und Energie, die alte Kirche zu besuchen. Es stellt sich heraus, es ist die einzige erhaltene Kirche Norwegens, die dem heiligen Jakobus geweiht ist. Ich schicke ein Foto an meine Jakobsweg-Gruppen. Wenn das nicht ein Zeichen ist…Eine Jakobskirche mitten am Fjord.
Es gibt überall etwas Unerwartetes zu entdecken. Einfach neugierig bleiben.
Der Tag ist wieder einer der Schönsten gewesen. Aber nun die Frage, was hat das alles mit dem Thema zu tun? Ganz viel, glaube ich.
Mach dich einfach auf den Weg, wenn er vielleicht auch unbequem ist. Es gibt nicht viel zu verlieren und ganz unendlich viel zu gewinnen. Du kannst natürlich im Tal bleiben. Aber mach das nur, wenn du wirklich dortbleiben willst. Wenn du spürst, dass du es vielleicht eines Tages bereuen wirst, schnüre deine Schuhe und mach dich auf den Weg. Die Welt sieht von oben viel schöner aus.
Über die Autorin:
Mona Moldovan hat BWL und Sozialmanagement studiert und ihr Organisationstalent sowie ihre Kreativität viele Jahre im Job unter Beweis gestellt. Sie reist leidenschaftlich gerne, manchmal alleine, manchmal mit anderen Menschen und schreibt in ihrem Blog Takethelongway (https://takethelongway.de/) darüber. Sie liebt Nordeuropa sehr. Ende des Jahres 2018 gründete sie einen Reiseveranstalter für außergewöhnliche Reisen (Mol Reisen, https://mol-reisen.de/) und absolvierte eine Reiseleitung-Ausbildung. Mehr über Mona findest du hier (https://mol-reisen.de/ueber-mich/).
„Ich möchte Menschen dazu bringen, atemberaubende Orte zu entdecken, mit anderen Augen zu sehen, etwas daraus zu lernen und über sich hinaus zu wachsen."
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